HIStory: Bismarck oder Wilhelm II. – Wer hat Schuld am Niedergang Deutschlands?

Fan of History - A podcast by Dan Hörning & Bernie Maopolski - Wednesdays

Das Thema heute: Bismarck oder Wilhelm II. – Wer hat Schuld am Niedergang Deutschlands? Jeder sieht vor seinem geistigen Auge jene Karikatur aus der englischen Zeitschrift Punch: Bismarck steigt die Gangway von einem großen Dampfer herunter, um auf ein kleines Lotsenschiff umzusteigen. Oben steht der jugendliche Kaiser Wilhelm und schaut ihm versonnen nach. Deutsche Titelübersetzung „Der Lotse geht von Bord“. Englischer Originaltitel: „Dropping the Pilot“. Also etwa: „Man entledigt sich des Steuermanns“. Tatsächlich nahmen dem jungen Kaiser einflussreiche Kreise in England, Frankreich oder den USA jene Entlassung des „Eisernen Kanzlers“ sehr übel. Was immer Wilhelm II. tat: er hatte in jenen Ländern nach diesem Vorfall fast immer eine außerordentlich schlechte Presse. Und die Bewunderung und Liebe für den Kanzler aus Blut und Eisen ist in den anglo-amerikanischen Eliten bis heute lebendig. Als zum Beispiel Maggie Thatcher mit brutalen Mitteln die mageren Eckpfeiler der englischen Sozialpartnerschaft einriss, nannte die britische Presse die rüde Kämpferin in treffender Anspielung auf den eisernen Kanzler Bismarck the iron lady – die Eiserne Dame. Otto von Bismarck hatte seine Karriere und sein Reich vornehmlich durch kriegerische Gewalt zusammengeschustert; durch „Blut und Eisen“, wie er selbst bereits bei seinem Regierungsantritt 1862 knorzig angedroht hatte. 1864 hatte Bismarck zunächst die Dänen mit Hilfe der Österreicher aus Schleswig-Holstein verjagt. Um als nächstes im Jahre 1866 die Österreicher aus dem gemeinsamen deutschen Staatenbund zu verjagen. Um die süddeutschen Staaten den Österreichern auszuspannen und sie sodann der eigenen protestantisch-norddeutschen Allianz zu unterwerfen, lockte er die Fürsten nicht nur mit genau jenen Geldschätzen, die er den unterworfenen Welfen in Hannover sowie der freien Reichsstadt Frankfurt in mittelalterlicher Raubrittermanier gestohlen hatte. Sondern Bismarck ließ sie auch teilhaben an dem Beutegut aus dem Krieg gegen Frankreich. So und nicht anders vollzog sich die vielgepriesene Deutsche Einigung. Der Anlass zum deutsch-französischen Krieg war absolut unbedeutend. Spanien suchte einen neuen König, und erkor zu diesem Zweck einen Spross der Hohenzollern-Dynastie, der allerdings nur entfernt mit Wilhelm I. verwandt war. Frankreich fühlte sich durch Hohenzollern in Spanien und in Preußen in die Zange genommen und protestierte auf diplomatischem Wege. Eine solche Irritation hätte sich wahrscheinlich durch Gespräche auf Diplomatenebene bereinigen lassen. Wenn nicht tatsächlich beide Seiten auf diesen Krieg hingearbeitet hätten. Eine misslungene Kontaktanbahnung zwischen einem französischen Diplomaten und König Wilhelm I. im Kurort Bad Ems wurde Bismarck per Telegramm berichtet. Rein zufällig saß Bismarck gerade mit seinen beiden Mitstreitern, nämlich Kriegsminister Roon sowie Generalstabschef von Moltke beim Essen. Bismarck frisierte das Telegramm des Ministerialbeamten zu einem pressetauglichen Text, so dass es jetzt wirkte– so Bismarck in seinen Erinnerungen – wie ein „rotes Tuch“ auf den „gallischen Stier“. Und Bismarck enthüllt in seinen „Gedanken und Erinnerungen“ genau jenes Muster, nach dem alle modernen Angriffskriege den Menschen draußen im Lande verkauft werden: „ es ist wichtig, dass wir die Angegriffenen seien, und die gallische Überhebung und Reizbarkeit wird uns dazu machen, wenn wir mit europäischer Öffentlichkeit, soweit es uns ohne das Sprachrohr des Reichstags möglich ist, verkünden, dass wir den öffentlichen Drohungen furchtlos entgegentreten.“. Das „furchtlose Entgegentreten“ kostet sage und schreibe 183.652 Kombattanten beider Seiten das Leben. Und für immerhin 232.732 verwundete und verstümmelte junge Männer auf beiden Seiten war das Leben nach diesem Trauma nicht mehr das gleiche wie zuvor. Die französische Regierung wiederum ist sich auch nach der demütigenden Niederlage gegen Deutschland keineswegs zu schade, mit deutscher Munition die Pariser Kommune zu exekutieren und dabei eine stattliche Strecke von weiteren 30.000 Toten zu verursachen. Der Deutsch-Französische Krieg von 1871 war ein bestialisches Gemetzel. Bismarcks Reichsgründung stand auf immensen Leichenbergen. Diese Geschichte ist für uns von Belang, weil in den nachfolgenden harten Forderungen des Siegers Preußen gegen den Verlierer Frankreich der Grundstein gelegt ist für die noch viel härteren Bedingungen des Vertrages von Versailles im Jahre 1920. Frankreich musste nämlich 1871 tatsächlich fünf Milliarden Silbermark Reparation zahlen. Frankreich musste sich zudem von Elsass-Lothringen trennen. Die deutschen Geschichtsbücher lehren indes heute wieder, dass die Franzosen die Reparationen bereits nach drei Jahren zurückgezahlt und sich schnell erholt hätten. Frankreich war allerdings wichtiger wirtschaftlicher Potenzen beraubt. Die Erzvorkommen in Elsass-Lothringen standen mit einem Schlag nicht mehr zur Verfügung. Der Ökonom John Maynard Keynes stellte fest, dass Frankreich in der Bevölkerungsentwicklung und in der Wirtschaftskraft seitdem immer weiter hinter Deutschland zurückgefallen sei, was den unstillbaren Rachedurst vergreister französischer Generäle in Versailles erregt habe. Bismarck ist nach dieser Eisen und Blut-Kur für annähernd zwanzig Jahre der unumstrittene Herr der deutschen Politik, und Kaiser Wilhelm I. sein ergebenes Sprachrohr. Als Kaiser Wilhelm I. 1888 im Alter von 91 Jahren stirbt, folgt ihm für 99 Tage sein Sohn Kaiser Friedrich III., der jedoch an einem Krebsleiden verstirbt. So ist der mittlerweile dreiundsiebzigjährige Bismarck einem dramatischen Generationenwechsel ausgesetzt. Denn sein neuer Vorgesetzter Kaiser Wilhelm II. ist gerade mal 26 Jahre alt. Zunächst glaubt Bismarck, er könne mit dem Neuling auf der politischen Bühne gerade so umspringen wie mit dessen Großvater. Doch der junge Kaiser hat seine ganz eigenen politischen und sozialen Pläne für die Zukunft. Die lassen sich nicht so schnell aus der Welt schaffen, wie Bismarck mit Schaudern feststellt. So bringt das Jahr 1889 eine Welle von Arbeitskämpfen von bislang ungekannter Intensität. Betroffen ist besonders der Bergbau im Ruhrgebiet, im Saarland und in Oberschlesien. Wilhelm II., der ab 1877 an der Universität Bonn Rechts- und Staatswissenschaften studiert hatte, erkennt, dass die Bedeutung der Arbeiterschaft unweigerlich immer weiter anwachsen wird. Der Kaiser eilt am 12. Mai unangemeldet in den Ministerrat. Also in die Regierung des Reichs. Was Wilhelm dem Kabinett zu sagen hat, fasst Bismarck in seinem Buch „Gedanken und Erinnerungen“ wie folgt zusammen: „Die Unternehmer und Aktionäre müßten nachgeben, die Arbeiter seien seine Untertanen, für die er zu sorgen habe; wollten die industriellen Millionäre ihm nicht zu willen sein, so würde er seine Truppen zurückziehen; wenn dann die Villen der reichsten Besitzer und Direktoren in Brand gesteckt, ihre Gärten zertreten würden, so würden sie schon klein werden.“ Tatsache ist, dass Wilhelm II. am 14. Mai eine Delegation der streikenden Kumpels in seinem Palais empfängt. Hierbei polemisiert Wilhelm gegen die Sozialdemokratie: „für mich ist jeder Sozialdemokrat gleichbedeutend mit einem Reichs- und Vaterlandsfeind.“ Am nächsten Tag empfängt er eine Abordnung der Grubenherren. Wilhelm moderiert Verhandlungen zwischen Arbeitern und Unternehmern, aus denen am gleichen Tage das Berliner Protokoll, eine Kompromissvereinbarung, hervorgeht. Und wie geht’s weiter? Kaum sind die Grubenherren wieder zuhause, die Arbeit ist wieder aufgenommen, da widerrufen sie auch schon die Abmachungen. Doch die Politiker sind auf Seiten der Arbeiter, wie Friedrich Engels berichtet. Der Militärgouverneur des Bezirks, Emil von Albedyll macht den Grubenherren klar, dass das nun gar nicht geht. Der Düsseldorfer Regierungspräsident Hans Hermann von Berlepsch redet den Unternehmern ins Gewissen. Innenminister Ernst Ludwig Herrfurth reist extra aus Berlin an und versucht die Grubenbarone zur Vernunft zu bringen. Bismarck dazu: „und alles wurde versucht, um die Zechenbesitzer zu bewegen, Konzessionen zu machen. Der Kaiser selbst riet ihnen, ihre Taschen zu öffnen.“ Bismarck will nicht begreifen, dass er isoliert ist. Eine völlig neue, ungewohnte Erfahrung. Er wähnt sich von Intriganten und Verschwörern umzingelt. Bismarck will Wilhelm in den Schwitzkasten nehmen, indem er ihn zu überreden versucht, die 1890 auslaufenden Sozialistengesetze in radikal verschärfter Form neu aufzulegen. Eine bislang ungekannte Aufrüstung soll zudem die nationale Anspannung verschärfen. Wenn Wilhelm da mitzieht, ist er von seinen Leuten isoliert und vollständig Bismarck ausgeliefert. Doch der Machtpolitiker im fortgeschrittenen Rentenalter hat sich verrechnet. Wilhelm durchschaut, dass der alte Intrigant nichts mehr in der Hand hat.(...) Weiterlesen und alle Quellen: KenFM jetzt auch als kostenlose App für Android- und iOS-Geräte verfügbar! Über unsere Homepage kommt Ihr zu den Stores von Apple und Google. Hier der Link: https://kenfm.de/kenfm-app/ Abonniere jetzt den KenFM-Newsletter: https://kenfm.de/newsletter/ Jetzt kannst Du uns auch mit Bitcoins unterstützen. Bitcoin-Account: https://commerce.coinbase.com/checkout/1edba334-ba63-4a88-bfc3-d6a3071efcc8 Dir gefällt unser Programm? 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